Wichtige Erkenntnisse
1. Bedeutung von Sprache ist Gebrauch, nicht nur Benennung
Für eine große Klasse von Fällen – wenn auch nicht für alle –, in denen wir das Wort „Bedeutung“ verwenden, lässt sich diese folgendermaßen definieren: Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.
Gegen das augustinische Bild. Wittgenstein stellt die traditionelle Auffassung infrage, wie sie etwa Augustinus vertritt, dass Sprache vor allem durch Benennung von Gegenständen funktioniert. Diese „Benennungs“-Sicht vereinfacht die Komplexität der Sprache zu sehr und übersieht die vielfältigen Rollen, die Wörter spielen, sowie die Kontexte, in denen sie gebraucht werden. Stattdessen schlägt er vor, dass die Bedeutung eines Wortes in seiner praktischen Anwendung innerhalb einer Sprache liegt.
Gebrauch statt Referenz. Der Fokus verschiebt sich von der Referenz eines Wortes (worauf es zeigt) hin zu seinem Gebrauch (wie es funktioniert). Betrachten wir das Wort „Platte“ in einem einfachen Sprachspiel zwischen einem Bauarbeiter und seinem Helfer. Die Bedeutung von „Platte“ ist nicht nur der Gegenstand selbst, sondern die Handlung, die es auslöst: die Platte zu bringen. Diese Betonung des Gebrauchs unterstreicht die aktive, dynamische Natur der Sprache.
Jenseits einfacher Definitionen. Diese Perspektive löst den Nebel um den Begriff der Bedeutung auf. Indem wir Sprache in primitiven, klar umrissenen Anwendungen betrachten, können wir besser verstehen, wie Wörter funktionieren. Dieser Ansatz hebt die Bedeutung des Kontexts und die aktive Rolle der Sprachbenutzer bei der Bedeutungsbildung hervor.
2. Sprachspiele: Wörter in Aktion
Ich werde diese Spiele „Sprachspiele“ nennen und gelegentlich von einer primitiven Sprache als einem Sprachspiel sprechen.
Sprache als Tätigkeit. Wittgenstein führt den Begriff der „Sprachspiele“ ein, um zu betonen, dass Sprache nicht bloß ein System der Darstellung ist, sondern ein integraler Bestandteil menschlichen Handelns. Eine Sprache zu sprechen ist wie ein Spiel zu spielen, mit eigenen Regeln, Strategien und Zielen.
Vielfalt der Spiele. Es gibt unzählige Sprachspiele, jedes mit seinem eigenen Regelwerk und Zweck. Beispiele sind:
- Befehle geben und befolgen
- Das Aussehen eines Gegenstands beschreiben
- Ein Ereignis berichten
- Eine Geschichte erfinden
- Fragen stellen, danken, fluchen, grüßen, beten
Lebensform. Das Verständnis eines Sprachspiels setzt das Verstehen der „Lebensform“ voraus, in die es eingebettet ist. Sprache ist kein isoliertes Phänomen, sondern eng verwoben mit unseren Handlungen, Gewohnheiten und sozialen Praktiken. Eine Sprache zu lernen heißt, eine Lebensweise zu erlernen.
3. Familienähnlichkeiten: Konzepte ohne starre Grenzen
Ich kenne keinen besseren Ausdruck, um diese Ähnlichkeiten zu charakterisieren, als „Familienähnlichkeiten“; denn die verschiedenen Ähnlichkeiten zwischen Familienmitgliedern – Körperbau, Gesichtszüge, Augenfarbe, Gang, Temperament usw. – überlappen und durchkreuzen sich auf ähnliche Weise.
Ablehnung des Essentialismus. Wittgenstein widerspricht der Vorstellung, dass Konzepte feste, wesentliche Eigenschaften besitzen, die allen Instanzen gemeinsam sind. Stattdessen schlägt er vor, dass Konzepte wie Familien sind, deren Mitglieder sich durch überlappende und sich kreuzende Ähnlichkeiten auszeichnen, ohne dass ein einziges Merkmal allen gemeinsam ist.
Das Konzept „Spiel“. Betrachten wir das Konzept „Spiel“. Brettspiele, Kartenspiele, Ballspiele und olympische Spiele fallen alle darunter, doch sie teilen kein einziges definierendes Merkmal. Einige sind unterhaltsam, andere wettbewerbsorientiert, manche erfordern Geschick, andere beruhen auf Glück.
Verwischte Grenzen. Konzepte werden nicht durch starre Grenzen definiert, sondern durch ein Netzwerk von Ähnlichkeiten. Dieser Ansatz der „verwischten Ränder“ anerkennt die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Sprache und erlaubt es, neue Fälle und Variationen einzubeziehen, ohne das Gesamtkonzept zu zerstören.
4. Die Illusion der erhabenen Reinheit der Logik
Die Tendenz, ein reines Vermittlungsglied zwischen den aussagenlogischen Zeichen und den Tatsachen anzunehmen.
Kritik am logischen Idealismus. Wittgenstein stellt die Vorstellung infrage, dass die Logik eine perfekte, kristallklare Struktur zugrunde liegt, die Sprache und Denken bestimmt. Er argumentiert, dass diese „erhabene“ Sicht der Logik zu Unzufriedenheit mit der Alltagssprache und zu einer verfehlten Suche nach einer idealen Sprache führt.
Sprache im Urlaub. Philosophische Probleme entstehen, wenn die Sprache „im Urlaub“ ist, das heißt, wenn sie von ihrem alltäglichen Gebrauch losgelöst wird. Indem Philosophen sich auf idealisierte Systeme konzentrieren, verlieren sie den Blick für das tatsächliche Funktionieren der Sprache in realen Kontexten.
Zurück auf den rauen Boden. Die Lösung besteht nicht darin, eine ideale Sprache zu konstruieren, sondern zum „rauen Boden“ der Alltagssprache zurückzukehren und zu untersuchen, wie Wörter tatsächlich verwendet werden. Dies bedeutet, philosophische Probleme durch Klärung des Sprachgebrauchs aufzulösen, nicht durch das Aufzwingen künstlicher Strukturen.
5. Philosophie als Therapie: Auflösung von Missverständnissen
Die Ergebnisse der Philosophie sind das Aufdecken von einfachem Unsinn und von Beulen, die das Verständnis sich zugezogen hat, indem es mit dem Kopf an die Grenzen der Sprache gestoßen ist.
Philosophische Probleme als sprachliche Verwirrungen. Wittgenstein sieht philosophische Probleme als Folge von Missverständnissen über Sprache. Diese Missverständnisse entstehen nicht durch Informationsmangel, sondern durch eine verzerrte Sicht auf Sprache und ihren Gebrauch.
Die Aufgabe des Philosophen. Die Rolle des Philosophen besteht nicht darin, Erklärungen oder Lösungen zu liefern, sondern den Sprachgebrauch zu klären und die Verwirrungen aufzulösen, die philosophische Probleme hervorrufen. Dies geschieht durch das Zusammenstellen von Erinnerungen daran, wie Sprache tatsächlich verwendet wird, und durch eine Neuordnung unseres Verständnisses, um Klarheit zu gewinnen.
Vollständige Klarheit. Das Ziel ist nicht, die Sprache zu verfeinern oder zu perfektionieren, sondern vollständige Klarheit zu erreichen, sodass philosophische Probleme ganz verschwinden. Dieser therapeutische Ansatz will uns von der Verzauberung unseres Verstandes durch die Sprache befreien.
6. Das Zusammenspiel von Regeln, Übung und Übereinstimmung
Einer Regel gehorchen, einen Bericht erstatten, einen Befehl geben, eine Partie Schach spielen – das sind Gewohnheiten (Gebrauche, Institutionen).
Regeln sind nicht selbstinterpretierend. Regeln enthalten keine eigene Interpretation. Jede Regel kann auf verschiedene Weisen ausgelegt werden, und Interpretationen allein können Bedeutung nicht bestimmen. Die Bedeutung einer Regel wird durch ihre praktische Anwendung festgelegt.
Übung und Praxis. Einer Regel zu gehorchen ist eine Praxis, eine Gewohnheit, eine Institution. Wir werden darin geschult, Regeln auf bestimmte Weise zu befolgen, und unser Verständnis einer Regel zeigt sich darin, dass wir sie in verschiedenen Situationen korrekt anwenden können.
Übereinstimmung im Urteil. Sprache erfordert Übereinstimmung nicht nur in Definitionen, sondern auch in Urteilen. Diese Übereinstimmung ist keine Frage der Meinung, sondern eine geteilte Lebensform, eine gemeinsame Art zu handeln und auf die Welt zu reagieren.
7. Das Argument des privaten Sprachgebrauchs: Empfindungen und geteilte Bedeutung
Wie beziehen sich Wörter auf Empfindungen? – Hier scheint kein Problem zu bestehen; sprechen wir nicht jeden Tag über Empfindungen und benennen sie? Aber wie wird die Verbindung zwischen dem Namen und dem Benannten hergestellt?
Die Unmöglichkeit einer privaten Sprache. Wittgenstein argumentiert gegen die Möglichkeit einer Sprache, die nur eine einzige Person verstehen kann. Eine solche Sprache, die auf privaten Empfindungen basiert, würde die notwendigen Kriterien für Korrektheit und Bedeutung vermissen.
Öffentliche Kriterien für Empfindungen. Unsere Wörter für Empfindungen wie „Schmerz“ sind nicht durch private Erfahrungen definiert, sondern durch öffentliche Kriterien wie Verhalten, Ausdrucksformen und Umstände. Diese Kriterien ermöglichen es uns, über Empfindungen zu kommunizieren und einander zu verstehen.
Sprache als soziales Phänomen. Sprache ist von Natur aus sozial. Bedeutung entsteht aus geteilten Praktiken und Konventionen, nicht aus privaten mentalen Zuständen. Eine private Sprache, der diese geteilten Grundlagen fehlen, wäre bedeutungslos.
8. Der Wille: Nicht Ursache, sondern in die Handlung verwoben
Wollen, wenn es nicht eine Art Wünschen sein soll, muss die Handlung selbst sein.
Gegen die Trennung von Wille und Handlung. Wittgenstein widerspricht der traditionellen Auffassung, der Wille sei eine eigenständige geistige Instanz, die unsere Handlungen verursacht. Er argumentiert, dass Wollen kein gesonderter Prozess ist, sondern mit der Handlung selbst verflochten ist.
Willkürliche Bewegung. Willkürliche Bewegung zeichnet sich durch das Fehlen von Überraschung aus. Wenn ich meinen Arm hebe, beobachte ich dies nicht als ein äußeres Ereignis, sondern erlebe es als meine eigene Handlung. Diese Erfahrung beruht nicht auf dem Gefühl einer besonderen Kraft, sondern darauf, ohne Widerstand zu handeln.
Grammatik von „Ich will“. Die Grammatik von „Ich will“ unterscheidet sich von der von „Ich wünsche“. „Ich will“ drückt eine Absicht aus, ein Engagement für eine zukünftige Handlung, während „Ich wünsche“ ein Verlangen oder eine Sehnsucht beschreibt. Diese beiden Konzepte spielen unterschiedliche Rollen in unserer Sprache und unserem Leben.
9. Aspekte sehen: Ein Wandel im Verstehen
Die Aspekte der Dinge, die für uns am wichtigsten sind, bleiben verborgen wegen ihrer Einfachheit und Vertrautheit.
Aspekte sehen als Veränderung im Verstehen. Wittgenstein führt den Begriff des „Aspekte Sehens“ ein, um zu beschreiben, wie sich unser Verständnis eines Objekts oder einer Situation plötzlich wandeln kann und neue Bedeutungen und Möglichkeiten offenbart. Dies ist nicht bloß eine Veränderung des visuellen Eindrucks, sondern eine Veränderung darin, wie wir die Welt interpretieren und mit ihr umgehen.
Das Enten-Kaninchen-Beispiel. Die Enten-Kaninchen-Illusion veranschaulicht dieses Konzept. Die Zeichnung bleibt dieselbe, doch unsere Wahrnehmung kann zwischen Ente und Kaninchen wechseln. Dieser Wechsel beruht nicht darauf, dass neue Informationen hinzukommen, sondern darauf, dass wir das bereits Gesehene neu ordnen.
Jenseits der visuellen Erfahrung. Aspekte sehen beschränkt sich nicht auf die visuelle Wahrnehmung. Es kann auch auf das Verstehen von Musik, Poesie oder sozialen Situationen angewandt werden. Es bedeutet, neue Zusammenhänge und Möglichkeiten zu erfassen und so unser Weltverständnis zu bereichern.
Zuletzt aktualisiert:
Rezensionen
Philosophische Untersuchungen sind ein komplexes und einflussreiches Werk der Philosophie des 20. Jahrhunderts. Leser empfinden es als herausfordernd, zugleich aber auch als äußerst lohnend, und loben Wittgensteins tiefgründige Einsichten in Sprache, Bedeutung und philosophische Fragestellungen. Der fragmentarische Stil und die anspruchsvollen Argumentationen können mitunter frustrierend sein, doch viele betrachten das Buch als ein Meisterwerk, das die Philosophie grundlegend revolutioniert hat. Wittgenstein untersucht, wie Sprache in sozialen Zusammenhängen funktioniert, übt Kritik an traditionellen philosophischen Ansätzen und setzt sich mit Konzepten wie Regelbefolgung, privater Sprache und dem Wesen des Verstehens auseinander.
Similar Books









